Genderdiversity auf Bibliothekartagen

library history, Work

Wie halten wir es auf den Bibliothekartagen eigentlich mit der Frauen/Männerquote?

Eine Kollegin aus den USA hat erhoben (counting keynoter diversity in libraryland), dass nur 43% der auf den großen Bibliothekskonferenzen in den USA und Canada Vortragenden Frauen sind:

“In national-scale US/Canadian library conferences…

  • 43% of speakers are female.
  • 74% of speakers are white, 14% black, 7% Asian, 4% Hispanic.”

Und wie sieht es bei uns in Deutschland aus?

Die kurze Antwort: Etwas besser als in Nordamerika.

Die Auswertung der über den OPUS-Publikationsserver veröffentlichten Vorträge ergibt, dass seit 2009 die Frauen/Männerquote bei den Vorträgen annähernd ausgeglichen ist. Im Schnitt sind 52% der Vortragenden Frauen.

RednerInnen auf Bibliothekartagen

Rplot_Percentages_Speakers

2009 2010 2011 2012 2013 2014
Frauen 83 66 87 102 106 161
Männer 85 66 86 79 100 127
unbekannt 0 0 4 1 0 0
Frauen (%) 49.4 50 49.15 56.04 51.46 55.9
Männer (%) 50.6 50 48.59 43.41 48.54 44.1
unbekannt (%) 0.0 0.0 2.26 0.55 0.0 0.0

2011 und 2012 gibt es 5 Vorträge, die ohne individuelle Namensauszeichnung gelistet sind. Etwa 21% der Frauen und etwa 16% der Männer haben angegeben, ihre Präsentation mit einer zweiten Person zu halten (“et al.”). Da in den Listen i.d.R. nur die erste referierende Person genannt ist, geht aus der Auflistung nicht hervor, welchem Gender die zweite Person zuzuordnen ist. Lesewolke hat im Kommentar darauf hingewiesen, dass die Vorträge auch unter dem Namen der zweiten Person (also doppelt) gelistet sind. (Code und Daten: Github repo.)

Leider liegen keine (aktuellen) Zahlen zur Frauen/Männerverteilung im deutschen Bibliothekswesen vor. Weder der VDB noch der BIB machen ihre Mitgliedslisten oder Mitgliedsstatistiken öffentlich zugänglich. Gleiches gilt für die Teilnahmelisten der Bibliothekartage/Bibliothekskongresse.

Bei etwa 75% Frauen im Bibliothekswesen (nach der Statistik des IAB) könnte man erwarten, dass diese Verteilung auch auf die Teilname an Bibliothekartagen zutrifft. Wenn dem so ist, reden noch immer zu viele Männer auf den BibliothekARtagen und zu wenig Frauen. Wenn die Vortragsverteilung dagegen der Teilnahmequote entspricht, bleibt die Frage, warum eher Bibliothekare zu den Kongressen fahren als ihre Kolleginnen.

Über die Genderdiversität hinaus, wäre es interessant, zusätzliche Informationen über die TeilnehmerInnen zu bekommen:

Wie verteilen sich die diversen

  • Ausbildungshintergründe (Famis, DiplBibl, wissenschaftliche BibliothekarInnen/MALIS),
  • Provenienzen (WB’lerInnen, ÖB’lerInnen, SpezialB’lerInnen) und
  • Alters/Erfahrungsstufen (Berufsanfänger, mittlere Leitungsebene, (leitende) Bibliotheksdirektorinnen, nicht mehr aktive BibliothekarInnen)

auf Teilnahme und Vorträge auf den Bibliothekartagen? (Von anderen Diversity-Indikatoren ganz zu schweigen.)

2 thoughts on “Genderdiversity auf Bibliothekartagen

  1. In der OPUS-Liste der Referentinnen und Referenten wurden tatsächlich alle Vortragenden genannt und nicht nur die erste Person. Das sieht man leider nicht auf den ersten Blick. Die Vorträge werden unter den anderen Namen nochmals aufgeführt. Für 2014 würde sich die Statistik so darstellen: 77 Männer (davon 71 einzeln, 6 Gruppen => 36%), 102 Frauen (davon 79 einzeln, 23 Gruppen => 48%) und 33 gemischte Vorträge (=16%). Ich wäre übrigens nichts so sicher, ob sich die Teilnehmer tatsächlich so verteilen, wie in der Berufsgruppe vertreten. Da die Anteile der Männer in den höheren Positionen größer sind als im Durchschnitt, nehmen diese eventuell auch häufiger an Tagungen teil. Wenn man es genau wissen wollte, müsste man wohl das Teilnehmerverzeichnis durchzählen. Doch am Ende zählt ja, ob der Vortrag gut war.

    1. Danke für den Hinweis auf die doppelte Eintragung der Vorträge. (So werden immerhin die Mitvortragenden auch sichtbar.)
      Ich denke auch nicht, dass 75% der Teilnehmenden auf den Bibliothekartagen Frauen sind; ich vermute eher, dass die Vortragsverteilung die Teilnahme widerspiegelt (und damit auch die Verteilung in Führungspositionen).
      In einem Punkt muss ich aber widersprechen: In einer idealen Welt würde ich zustimmen, dass nur die Qualität des Vortrags zählt. (Die Wirklichkeit der Bibliothekartage spricht leider gegen das Qualitätsargument…)
      Solange aber das Thema ’empowerment’ noch virulent ist, ist der Rekurs auf die (vermeintliche) Qualität nur zu oft vorgeschoben, um “bewährte” Strukturen zu bewahren. Es ist schließlich auch eine Frage, wem in einer Bibliothek eine Dienstreise/Dienstbefreiung gewährt und wer ermutigt/unterstützt wird, eine Vortragsidee zu entwickeln und einzureichen. (Und solange das interessante abstract vom frischen Fami abgelehnt und der langweilige “Was wir im letzten Jahr gemacht haben”-Selbstdarstellungs-Vortrag einer leitenden Bibliotheksdirektorin angenommen wird, haben wir noch viel Empowermentarbeit vor uns.)

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